Exit AfD

Am Wochenende habe ich meinen Austritt aus der AfD erklärt. Damit gebe ich auch ab sofort meine Funktion als Bundesdelegierter sowie als Sprecher der Alternativen Mitte in Niedersachsen auf. Darüber hinaus werde ich als Fraktionsvorsitzender der AfD im Rotenburger Kreistag zurücktreten, sobald die aktuellen Amtsgeschäfte erledigt sind.

Ich habe in der AfD viele anständige Leute kennengelernt, und ich werde ihnen jetzt nicht in den Rücken fallen und behaupten, die AfD wäre rechtsextrem. Nach den mir bekannten sozialwissenschaftlichen Definitionen ist sie es nicht. Aber sie ist auch ganz gewiss nicht mehr die Partei, die ich im Sommer 2014 kennengelernt habe.

Ich wünsche mir eine echte konservative Partei seit ich denken kann. Ich stehe zu meinem Land, ich bin „korporiert“, in einem Traditionsverein, ich schreibe für mehrere konservative Magazine. Ich komme aus einem politischen Milieu, das man gut und gerne als „patriotisch-konservativ“ bezeichnen kann. Aber die AfD hat sich für einen Kurs entschieden, den ich inhaltlich nicht tragen kann. Drei Beispiele:

1) Ich betrachte die extremistische Ausprägung des Islam als große Bedrohung für unsere Sicherheit, und ich sehe die hohe Zahl von muslimischen Zuwanderern kultur- und integrationspolitisch als problematisch an. Aber es liegt mir fern, eine ganze Religion als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu betrachten oder ihr gar den Religionscharakter abzusprechen. Als ich noch bei der Hamburger Bereitschaftspolizei war, habe ich nicht selten mit Muslimen in einer Polizeikette gestanden, die für dieses Land und diesen Staat ihre Gesundheit riskiert haben – und sie sind rechts und links von mir zu Boden gegangen, wenn wir Steinwürfe der linken Szene „kassiert“ haben. Muslime sind vom (extremistischen) Islamismus genauso bedroht wie Nicht-Muslime. Deswegen muss eine echte rechtskonservative Partei auch für Muslime wählbar sein, sonst ist sie es nicht wert, gewählt zu werden.

2) Die politischen Aussagen von Aydan Özuguz, nach denen es eine spezifisch deutsche Kultur nicht gäbe, sind anmaßend und dumm. Aber jeder hat das Recht, sie zu tätigen – genauso wie jeder das Recht haben sollte, Frau Özuguz mit markigen Worten in die Schranken zu weisen. Wenn aber Alexander Gauland als Spitzenkandidat der AfD Aydan Özuguz „in Anatolien entsorgen“ will, dann legt er einer Frau nahe, dass Land zu verlassen, die in Hamburg geboren wurde, die vor dreißig Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, Vizevorsitzende einer deutschen Partei ist, einen Deutschen geheiratet hat und mit ihm ein Kind hat. Einer solchen Frau nicht gleiche Rechte zuzugestehen, weil ihre Eltern aus einem anderen Land kommen, ist nicht konservativ. Es ist unanständig. Und besonders frustrierend wird es, wenn die angeblich gemäßigten Kandidaten wie Alice Weidel und Jörg Meuthen entweder brav die Klappe halten oder Gauland in seiner Aussage sogar noch bestärken.

3) Im Vergleich mit der militanten Linken ist die Identitäre Bewegung eine völlig zu vernachlässigende Größe. Aber sie bleibt eine Bewegung, die sich mit ihren Aktionen über geltendes Recht hinwegsetzt. Dabei haben schon mehrfach IB-Aktivisten die körperliche Unversehrtheit von Polizisten oder politischen Gegnern gefährdet oder sogar geschädigt. Für eine Rechtsstaatspartei sollte die Kooperation mit einer solchen Bewegung keine Option sein. Aber obwohl sogar ein Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD mit der IB vorliegt, wird die Distanz immer geringer.

Trotzdem: Mein Engagement für die AfD bereue ich nicht. Ich halte ihre Anwesenheit für ein wichtiges Signal an die etablierten Parteien und die konservativen Wähler. Die alte politikwissenschaftliche Maxime, nach der es keine Partei rechts der Union in den Bundestag schaffen kann, wurde für immer widerlegt.

Die Alternative Mitte, zu deren Gründungsmitgliedern ich gehörte, war so etwas wie mein letzter Strohhalm. Umso enttäuschter war ich über die geringe Akzeptanz dieses Versuches, einen bürgerlich-konservativen Flügel in der AfD zu etablieren. Wenn gerade einmal 40 der knapp 2.500 niedersächsischen AfD-Mitglieder – und nicht ein einziger niedersächsischer Landtags- oder Bundestagsabgeordneter – es angesichts der derzeitigen Situation für nötig erachten, die „AM“ zu unterstützen, dann ist das mehr als enttäuschend! Und wenn es am Ende darum geht, eine AM von Höckes und Gaulands zu installieren, dann ganz sicher ohne mich!

Ich will nicht ausschließen, dass die AfD erfolgreich sein und sich als dauerhafte Kraft in den Parlamenten etablieren kann. Und wie man an Beispielen aus dem Ausland erkennen kann, ist eine Mäßigung und ein Umschwenken auf einen realpolitischen Kurs langfristig immer noch möglich. Ich wünsche allen verbleibenden Mitgliedern der AfD menschlich alles Gute und politisch den Willen und die Kraft, sich des fundamentalistischen Flügels zu entledigen!

Über KD Hoffmann

Dr. Karsten D. Hoffmann: Politikwissenschaftler, Autor, Hamburg-Bremen, konservativ und Spaß dabei
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