Presse, Politik und Deutschlandfunk

Eine systematische Auswertung der DLF-Presseschau offenbart ein politisches Ungleichgewicht

In den vergangenen Monaten wurde viel über den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) gesprochen – nicht immer positiv. Neben dem Fehlverhalten einzelner Führungspersonen wurden immer wieder strukturelle Defizite angemahnt. Journalisten und Berichte seien unkritisch, regierungsnah, grenzten systematisch unliebsame Meinungen aus und/oder positionierten sich einseitig. Aufsehen erregte 2020 eine von Volontären der ARD veröffentlichte – nicht repräsentative – Stichprobe, nach der 57,1 Prozent der Nachwuchsjournalisten der Sendeanstalt für die Grünen votierten, 23,4 Prozent für die Linkspartei und 11,7 Prozent für die SPD; zusammen also 92 Prozent für Rot-rot-grün (die FAZ berichtete).

Aus der staatlich legitimierten Zwangsgebührenfinanzierung resultiert die Erwartung einer möglichst breiten und neutralen Berichterstattung. Aber nicht alle Gebührenzahler haben den Eindruck, dass die öffentlich-rechtlichen Sender dieser Erwartung gerecht werden. Das dürfte allerdings nicht allein an der Gebührenfinanzierung liegen, sondern gleichermaßen an der dominanten Position der Sender in der deutschen Medienlandschaft – insbesondere im Hörfunkbereich. Von den, laut Statista, zwanzig beliebtesten Radioprogrammen in Deutschland im Jahr 2021 waren immerhin zwölf dem ÖRR zuzurechnen.

Geradezu eine Monopolstellung nimmt wiederum der Deutschlandfunk (DLF) in seiner Sparte ein. Ein Radiosender für Politik und Kultur ist nicht mit einem Sender mit Musik-Schwerpunkt zu vergleichen. Die potentielle Zahl von Hörern wird durch die Programmausrichtung erheblich eingeschränkt, (wenngleich eine hohe Zahl von Multiplikatoren anzunehmen ist). Während in Ländern mit einem finanziell schlechter gestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk pluralistische Landschaften inhaltlich und wirtschaftlich konkurrierender Sendeanstalten entstehen können, verdrängt der DLF durch seine Unabhängigkeit von Werbung und Spornsoren und durch seine deutschlandweite Verfügbarkeit potentielle private Konkurrenten.

Aufgrund dieser Stellung und des daraus resultierenden Einflusses auf die politische Willensbildung ist die inhaltliche Ausrichtung des DLF von besonderer Bedeutung. Einfach zu messen ist sie nicht. Zwar bieten sich verschiedene Ansätze: Welche Tendenzen lassen Anmoderationen und Features erkennen? Welche Themen werden gewählt? Welche Fragen gestellt? Wie äußern sich Redakteure außerhalb der Sendungen? Diese Ansätze sind jedoch nicht anhand objektiver Kriterien messbar. Anders verhält sich dies bei der Partei- und Institutionszugehörigkeit der Interviewpartner oder bei der Häufigkeit der Zitierung von Zeitungen in einer Presseschau. Letzteres stellt die Basis der folgenden Untersuchung dar. Es geht um die Fragen, wie oft werden welche Zeitungen in der DLF-Presseschau zitiert und wie sind diese Zeitungen auf dem Rechts-Links-Kontinuum zu verorten.

Ein Pressespiegel nimmt wiederum eine Sonderrolle in der Berichterstattung ein, denn in ihm wird durch die Zitierung fremder Presseorgane eine inhaltliche Neutralität des Senders suggeriert. Gleichwohl hat der Ersteller eines Pressespiegels durch die Selektion der Quellen und Zitate massiven Einfluss auf das vermittelte Bild der Realität.

Studiendesign

Der für die vorliegende Auswertung ausgewählte Zeitraum reicht vom 1. Januar 2021 bis zum 21. Dezember 2021. Ausgewertet wurden die vom DLF im Internet abgelegten Textdateien. Abweichungen zum gesprochenen Text sind folglich möglich, aber wenig wahrscheinlich. Die Dateien wurden innerhalb weniger Tage nach Veröffentlichung von den Internetportalen des Deutschlandfunks gelöscht. Wie der Sender auf Nachfrage mitteilte, ist der Grund dafür die sog. „Sieben-Tage-Regel“, die ihn verpflichte, verschriftlichte Inhalte der Mediatheken innerhalb dieser Frist zu löschen (Eine Regelung, für die der DLF keinerlei Verantwortung trägt und die auch keineswegs in seinem Interesse steht). Um eine valide Datenbasis zu erhalten, blieb folglich nur das Verfahren, ein Jahr lang die Presseschau-Dateien individuell abzurufen. Auf diese Weise konnten 290 Dateien als Grundlage erfasst werden. Da für die anschließende Auswertung keine passende Software zur Verfügung stand, wurden alle Dateien individuell ausgewertet bzw. die dort vorhandenen Zitate ausgezählt. Mit dieser Praxis können Fehleinträge erfolgen, letztlich aber ist die Datenbasis mit insgesamt über 3.200 Zitateinträgen (über 1.000 für die überregionalen) so groß, dass ihre Repräsentativität nicht ins Wanken gerät.

Pro Ausgabe wurde jedes Presseorgan maximal einmal erfasst. Zu differenzieren bei der Auswertung ist zwischen regionalen und überregionalen Zeitungen. Während sich regionale Periodika auf einen festgelegten geographischen Raum konzentrieren (selbst wenn die Zeitung überregional erwerbbar ist), werden überregionale Zeitungen grundsätzlich bundesweit verkauft und sprechen thematisch ein bundesweites Publikum an. Unterschiede in der Auflage sind möglich, aber keineswegs kennzeichnend (s.a. Abb. 2). Regionale Presseerzeugnisse erscheinen für die Auswertung problematisch, da es sich bei ihnen in ihrer Region um weitgehend konkurrenzlose Organe handelt, die ein möglichst breites Publikum bedienen und somit schon aus ökonomischen Gründen nicht weit vom Mainstream abweichen. Es wäre zudem sehr aufwändig und angreifbar, eine individuelle Einordnung dieser Zeitungen auf dem Rechts-Links-Kontinuum vorzunehmen.

Bei den überregionalen Zeitungen verhält es sich anders. Die politische Ausrichtung der Zeitungen in Deutschland und ihre Einordnung auf einem Rechts-Links-Kontinuum wurde verschiedentlich öffentlich und auch wissenschaftlich diskutiert. Streitpunkte dabei waren u.a. an welchem Punkt die Mitte anzunehmen ist, welche Zeitungen zur Mitte zählen sowie die Seriosität und Legitimität der berücksichtigten Zeitungen. Kaum hinterfragt hingegen wurde die Anordnung der Zeitungen von auf einer Skala links nach rechts. Sie wurde nahezu konsensual vorgenommen. Das Beratungsnetzwerk Polisphere etwa publizierte im Jahr 2020 eine solche Skala der deutschen Medienlandschaft (Da das Original aktuell nicht abrufbar ist, verweise ich auf eine Kopie auf dem Portal Medienkompass.de). Diese beinhaltet die auflagenstärksten und bedeutendsten überregionalen Zeitungen in Deutschland und wurde für die hiesige Auswertung des DLF-Pressespiegels als Vorlage gewählt. Der im Original zweidimensionale Graph wurde für die Untersuchung in eine eindimensionale Skala reduziert. Ferner wurden entsprechend der bisherigen Schwerpunktsetzung des DLF nur Medien berücksichtigt, die auch über eine Printausgabe verfügen.

Abb 1. Medienlandschaft in Deutschland nach Polisphere

Für die Darstellung der Ergebnisse mit der o.a. Skala wurde die rechtsextreme Nationalzeitung durch die (ebenfalls vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte) Zeitschrift Compact ersetzt, obwohl Compact von polisphere nicht berücksichtigt worden war und auch – wie sich aus der Auswertung ergab – in der Presseschau des DLF nicht erwähnt wird. Jedoch stellte die Nationalzeitung ihr Erscheinen Ende 2019 ein, während Compact massiv an Stellenwert gewonnen hat. Ein Festhalten der Nationalzeitung in der Auswerteskala wäre sinnlos gewesen, da der DLF die Zeitung nicht hätte zitieren können. Eine Verkürzung der Skala auf der rechten Seite hätte auch eine Verschiebung des theoretischen Mittelpunktes zur Folge gehabt, was der Intention der Ersteller nach Darstellung einer bestimmten Bandbreite möglicherweise widersprochen hätte.

Für ihre Stellung in der deutschen Medienlandschaft und somit möglicherweise auch für die Erstellung einer Presseschau von Bedeutung ist die verkaufte Auflage einer Zeitung. Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) stellt diese Zahlen regelmäßig für die meisten großen deutschen Zeitungen fest. Für die nachfolgende Darstellung mussten lediglich für die Jungle World, die Junge Welt und für Compact andere Quellen bzw. Verlagsangaben verwendet werden. Abweichungen für diese zwei Blätter sind also möglich. Die Neue Zürcher Zeitung wurde bei der Betrachtung außen vor gelassen, da sie ihre Auflage im Schwerpunkt in der Schweiz generiert und für die in Deutschland verkaufte Auflage keine Zahlen vorlagen. Als weitere generelle Einschränkung ist der Erscheinungsrhythmus der ausgewählten Zeitungen anzusehen. Die Zahlen beziehen sich auf die verkaufte Auflage pro Ausgabe. Während es sich bei den meisten Zeitungen um Tageszeitungen handelt, erscheinen andere (z. B. Die Zeit) nur wöchentlich wieder andere nur monatlich (z. B. Cicero). So mag eine unmittelbare Gegenüberstellung problematisch erscheinen, andereseits bedeutet eine tägliche Erscheinungsweise keineswegs, dass damit der Einfluss auf die Leserschaft zwangsläufig wächst.

Abb. 2: Verkaufte Auflage Deutscher Zeitungen
*Angaben laut IVW / Jungle World, Junge Welt und Compact Verlagsangaben/Deutscher Bundestag

Die Betrachtung der Auflagen auf der Rechts-Links-Skala lässt ein unregelmäßiges Bild erkennen. Addiert man die Zahlen links und rechts des theoretischen Mittelpunktes halten sich die Summen nahezu die Waage. Allerdings ist dies auf der rechten Seite des Spektrums im Wesentlichen auf die hohe Auflage der Bild-Zeitung zurückzuführen.

Ergebnisse

Für das Jahr 2021 konnten insgesamt 290 Ausgaben der DLF-Presseschau ausgewertet werden. Erfasst wurden dabei die Sendungen mit den Bezeichnungen „Die Presseschau aus deutschen Zeitungen“ und „Blick in die Zeitungen von morgen“. Bewusst nicht erfasst wurde die ebenfalls wochentäglich erscheinende „Internationale Presseschau“. An insgesamt drei Tagen (z. B. am 28.11.21) erschien eine Version unter dem Titel „Die Presseschau“, in der sowohl aus deutschen wie auch aus ausländischen Zeitungen zitiert wurde (Dies erklärt die Zitierungen der NZZ).

Etwa 11 Medien (ca. 5 bis 15) wurden pro Ausgabe zitiert. Das Spektrum umfasst insgesamt 95 verschiedene Presseorgane. Beim absoluten Gros davon handelte es sich um Tageszeitungen, zitiert wurden aber auch Wochenzeitungen, Wochenmagazine, Monatsmagazine und reine Online-Magazine (z. B. T-Online). 18 der zitierten Pressorgane sind als überregional anzusehen. Darüber hinaus wurden mit dem Münchner Merkur und der Berliner Zeitung zwei Zeitungen zitiert, die im Grenzbereich zwischen regional und überregional einzuordnen sind. Die Zahl der zitierten regional ausgerichteten Zeitungen beträgt folglich 75 bzw. 73.

Von den insgesamt 3.226 Zitierungen fallen 2.138 auf regionale Presseorgane, die somit einen etwa doppelt so großen Anteil einnehmen wir die überregionalen mit 1.088. Lediglich 34 der regionalen Blätter werden 20mal oder häufiger erwähnt. Dabei fällt auf, dass die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) mit 184 Zitierungen deutlich aus dieser Gegenüberstellung heraussticht. Lediglich die Mitteldeutsche Zeitung (102) und die Volksstimme (105) erreichen noch knapp über 100 Zitierungen; der Reutlinger Generalanzeiger immerhin noch 91 Zitierungen. Alle übrigen Regionalzeitungen erreichen deutlich schwächere Werte.

Angesicht der weitaus geringeren Zahl der überregionalen Presseorgane erhalten diese individuell betrachtet weitaus größeres Gewicht als die Regionalzeitungen. So kommen die Süddeutsche Zeitung auf 229 und die Frankfurter Allgemeine auf 228 Zitierungen. Allerdings entfallen von den 1.090 Erwähnungen der 18 Überregionalen Presseorgane 1.042, also 96 Prozent, auf nur 8 Zeitungen (Abb. 3).

Bereits in dieser Auswahl lässt sich eine Tendenz erkennen, die sich bei Anwendung der im Studiendesign vorgestellten Skala verfestigt. Auf den ersten Blick stellen die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine zwei gleichstarke Pole des linksliberalen und des bürgerlichen Spektrums dar. Auf den zweiten Blick jedoch fällt auf, dass rechts der FAZ lediglich Die Welt (57 Zitierungen) und die Zeitschrift Cicero (18 Zitierungen) zu vernehmen sind. Links der Süddeutschen hingegen finden sich die Frankfurter Rundschau (168 Zitierungen), die linke tageszeitung/taz (139 Zitierungen), das ehemalige SED-Parteiblatt Neues Deutschland/nd (28 Zitierungen) sowie die linke Tageszeitung Junge Welt (1 Zitierung). Mit insgesamt 75 Zitierungen rechts der FAZ und 336 Zitierungen links der Süddeutschen lässt sich folglich ein erhebliches Ungleichgewicht feststellen.

Abb. 3: Ergebnisse der Auswertung / Zahl der Zitierungen deutscher Zeitschriften in der Presseschau des Deutschlandfunks im Jahr 2021

Die Presseorgane des bürgerlich-konservativen Spektrums werden wenig bis gar nicht berücksichtigt. Dies betrifft u.a. die immerhin größte deutsche Tageszeitung, die BILD, die nicht ein einziges Mal zitiert wurde. Gleiches gilt für prononciert konservative für Zeitungen und Zeitschriften wie die Tagespost, Tichys Einblick, die Junge Freiheit und die Jüdische Allgemeine. Und auch die Neue Zürcher Zeitung, die seit 2018 eine Ausgabe für den deutschen Markt anbietet, wird nicht zitiert.

Stellungnahme des Deutschlandfunks

Nach Vorliegen der Ergebnisse wurde dem Deutschlandfunk schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die dieser mit Email vom 20. September 2022 wahrnahm. Mit Blick auf die hohe Zitierquote der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) räumte die Redaktion ein, dass auch ihr die Berücksichtigung überproportional erscheine. Sie führte aus, dass die NOZ, anders als andere Zeitungen, dem Deutschlandfunk täglich mehrere Kommentare zur Verfügung stelle. Offenbar wählt der Sender die Zitate zumindest nicht vollständig durch aktive eigene Auswertung der Presseorgane aus, sondern aufgrund von Zusendungen der Medienhäuser. Diese Praxis scheint aber nur einzelnen Medienhäusern bekannt zu sein, ansonsten wäre davon auszugehen, dass jede gewinnorientierte Zeitung diese indirekte Form der Werbung nutzen würde. Auch die zunehmende Pressekonzentration könne für die häufige Zitierung der NOZ eine Rolle spielen. Immer mehr Regionalzeitungen teilten sich einen gemeinsamen Mantel mit den gleichen Kommentaren. Dass lediglich aber die NOZ genannt werde, könne die Wahrnehmung der Hörer beeinflussen.

Mit Blick auf die vergleichsweise geringe Zitierquote der Zeitung Die Welt stellt die Redaktion fest, man stünde aktuell im Austausch über ein „besseres Übermittlungsverfahren der Kommentare“. Auch die Redaktion der Presseschau sei der Auffassung, dass Die Welt „noch häufiger“ Platz in der Presseschau finden könne. Offen bleibt, warum der Deutschlandfunk in diesem Zuge Die Welt nicht proaktiv stärker berücksichtigt, statt auf eine Zusendung von vorselektierten Kommentaren zu warten.

Dass die Bild-Zeitung nicht in den Presseschauen auftauche sei „keine Entscheidung gegen die BILD-Zeitung. Stattdessen sei entschieden worden, „Boulevardmedien“ grundsätzlich nicht in den Presseschauen abzubilden. So flössen auch die Texte des Kölner Express oder der Münchner AZ nicht in die Presseschau ein. Das ist zutreffend. Eine Begründung, warum „Boulevardmedien“ von der Presseschau ausgeschlossen sind, liefert der Deutschlandfunk allerdings nicht.

Auf die Frage, wie das zahlenmäßige Ungleichgewicht zwischen Presseerzeugnissen des linken/linksliberalen politischen Spektrums zu den Presseorganen des bürgerlich-liberalen und konservativen Spektrums zu erklären sei, antwortete die DLF-Redaktion ausweichend. Die NZZ werde als ausländische Zeitung lediglich in der internationalen Presseschau behandelt (dort tatsächlich häufig).


Bei der Auswahl der Pressestimmen gebe es keine Vorgaben. Wichtig sei, dass sie zu einem guten Überblick über das Thema beitragen. Der Auftrag des Deutschlandfunks verpflichte die Redaktion, die Vielfalt der Meinungen abzubilden, nicht die Vielfalt von Publikationsorganen. Letztlich wies der Deutschlandfunk darauf hin, dass man derzeit daran arbeite, die Presseschauen weiterzuentwickeln und die Auswahl der Pressestimmen um weitere Online-Publikationen zu ergänzen

Fazit

Der Deutschlandfunk formuliert auf der Startseite der Presseschau den Anspruch, „einen Überblick über die Kommentarspalten aus dem In- und Ausland“ zu gewährleisten, um einen Zugang „zu einer Vielfalt an Informationen, Meinungen und Sichtweisen“ zu ermöglichen. Diesem Anspruch wird der Deutschlandfunk nur bedingt gerecht.

Die überproportionale Verwendung von Zitaten der Neuen Osnabrücker Zeitung ist dabei, mit Blick auf das Ziel dieser Untersuchung, von nachgeordneter Bedeutung, da die NOZ als Regionalzeitung die politische Ausrichtung des Pressespiegels kaum beeinflusst. Gleichwohl ist anzumerken, dass ihre Bevorzugung eine ungerechtfertigte Aufwertung dieser Zeitung impliziert und dass ebendiese der Redaktion hätte auffallen können. Zu kritisieren ist zudem das angedeutete Verfahren, nach dem die Redaktion nicht proaktiv die Presseorgane nach geeigneten Zitaten durchforstet, sondern passiv auf eine Übersendung von Kommentaren wartet. Dadurch übergibt die Redaktion die Hoheit über ihre eigene Sendung an die, über die sie berichten möchte. Es ist zu relativieren, dass eine Vorauswahl der Zeitungen aus verfahrensökonomischen Gründen stattfinden muss. Es wäre unrealistisch, die vollständige Auswertung aller deutschsprachigen Zeitungen an jedem Tag zu erwarten. Festzuhalten aber bleibt: Die Information, dass die Presseschau des Deutschlandfunks die Zeitungen zitiert, die ihr Kommentare einsenden, könnte bei den bis heute weniger berücksichtigten Zeitungen ein nicht unberechtigten Anspruch erzeugen.

Durchaus verständlich erscheint die Praxis, die radikalen bzw. extremistischen Organe nicht zu zitieren. So findet sich in der Presseschau weder die „Jungle World“ das „Compact“-Magazin. Es ist zudem anzuerkennen, dass zu beiden Rändern des politischen Spektrums Grenzen gezogen werden.

Als fragwürdig ist die vollständige Exklusion der auflagenstärksten deutschen Tageszeitung, der BILD-Zeitung, zu bewerten. Es liegt nahe, dass für diese Verfahrensweise nicht die Bebilderung und die in manchen Fällen reißerische Aufmachung ausschlaggebend sind ­­– sie wären über das Radio ohnehin nicht wahrnehmbar. Möglicherweise werden auch die Texte der Bild-Zeitung als reißerisch bzw. minderwertig bewertet. Dabei unterschlägt die Presseschau-Redaktion allerdings die Option, lediglich Texte einzubeziehen, die ihren qualitativen bzw. sprachlichen Anforderungen entsprechen. Dass dies in keinem Bild-Zeitungsartikel des gesamten vergangenen Jahres der Fall sein soll, erscheint bei über 300 Ausgaben pro Jahr unrealistisch. Darüber hinaus spricht die Bild-Zeitung eine Bevölkerungsgruppe an, die möglicherweise nicht Teil der Zielgruppe des DLF ist, die aber genauso zur Gesellschaft gehört wie die Leser der Süddeutschen und der Zeit.

Nachvollziehbar ist die Argumentation des DLF, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ausschließlich in der internationalen Presseschau zu zitieren. Anzumerken ist allerdings, dass die NZZ seit 2018 eine Online-Ausgabe speziell für Deutschland herausgibt. Damit bleibt sie formell eine ausländische Zeitung. Da sie im bürgerlich-konservativen Spektrum jedoch mittlerweile eine herausragende Rolle einnimmt, bleibt die Frage, ob die ausschließliche Einordnung in die internationale Presseschau nicht überdacht werden sollte.

Die Exklusion der Bild und der NZZ fällt umso stärker ins Gewicht, als dass auch die übrigen von Polisphere rechts der Mitte lokalisierten Zeitungen nicht erwähnt werden. Sofern der FOCUS der Redaktion als zu boulevardmäßig erscheint, würde sich die Frage stellen, warum DER SPIEGEL im Gegensatz dazu zitiert wird. Sollte der Redaktion die politische Ausrichtung von Tichys Einblick und der Jungen Freiheit zu weit vom Mainstream abweichen, würde sich die Frage stellen, warum im Gegensatz dazu die ehemalige SED-Parteizeitung Neues Deutschland und die linke Tageszeitung Junge Welt zitiert werden. Es stellt sich außerdem die Frage, warum bekenntnisorientierte Medien wie die katholische Tagespost, die Jüdische Rundschau und die Jüdische Allgemeine keine Erwähnung finden.

Festzuhalten bleibt, dass der Deutschlandfunk linksorientierte Zeitungen im Vergleich zu bürgerlich-konservativen Zeitungen in seiner Presseschau bevorzugt und damit weder die Vielfalt der Publikationsorgane noch die avisierte „Vielfalt der Meinungen“ erreicht. Stattdessen präsentiert er lediglich einen Ausschnitt der Medienlandschaft und vermittelt so einen Eindrücke, die dem tatsächlichen Umfang der Medienlandschaft nicht entsprechen. Im Zuge der Debatte um den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk bestätigt der Deutschlandfunk somit in Teilen die Vorwürfe seiner Kritiker.

Letztlich bleibt anzuerkennen, dass der Deutschlandfunk bzw. die Redaktion der Presseschau sich mit Blick auf die an sie gerichteten Fragen offen, kooperativ und in Teilen selbstkritisch gezeigt hat. Ob dies Veränderungen nach sich zieht, bleibt abzuwarten. Die Entwicklung wird von hier aus mit Interesse weiterverfolgt.

Über KD Hoffmann

Dr. Karsten D. Hoffmann: Politikwissenschaftler, Autor, Hamburg-Bremen, konservativ und Spaß dabei
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